Zwei Jahrzehnte lang wurde das Schloss Wörlitz mit Mitteln der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Sachsen-Anhalt restauriert. In diesen Tagen wird die Restaurierung dieser Inkunabel des deutschen Klassizismus nunmehr vollendet.
Diesen Meilenstein wollte das Land Sachsen-Anhalt gemeinsam mit der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz am 4. April 2020 in einem Festakt feiern. Bedingt durch die aktuelle Entwicklung in der Corona-Krise wird diese Feierstunde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, doch schon jetzt dürfen Besucherinnen und Besucher gespannt sein:
Neu zu entdecken sind die Räume der Ostseite des Schlosses, die in den Jahren 2018 – 2020 restauriert wurden: Das zweite Langzimmer, das Konzertzimmer, Kabinett und Schlafzimmer der Fürstin, die Bibliothek und das Schlafzimmer der Fürsten. Ein paar detaillierte Einblicke sollen Ihnen schon heute die Lust wecken, das Schloss Wörlitz baldmöglichst zu besuchen.
Restaurierung der Deckenmalereien im Zweiten
Langzimmer
Die Seidentapeten
Eine besondere Herausforderung stellte die Restaurierung der Seidenbespannungen des Erdgeschosses dar. Fast alle Tapeten waren über 130 Jahre alt und stark verschlissen. Lediglich in zwei Räumen hatte man zu DDR-Zeiten einen Ersatz aus Kunstseide versucht. Von der ursprünglichen Tapetenausstattung haben sich die hölzernen Spannrahmen und die Leinwandbespannung erhalten, die als Unterspannung der Seide diente. Welches Muster der Seidendamast bei der Erstausstattung des Schlosses hatte, ist unbekannt. Der zeitgenössische Führer durch das Schloss Wörlitz von August von Rode überliefert uns lediglich, dass alle Tapeten grün waren und dass in einem Raum Moiré verwendet wurde, nicht jedoch, welche Art von Moiré. Erhalten hat sich aber die Seidentapetenausstattung vom Ende des 19. Jahrhunderts und zwar zu unserem Glück von sämtlichen Räumen des Erdgeschosses. Zum größten Teil war sie noch – arg beschädigt – an den Wänden vorhanden, für zwei Räume gab es wenigstens noch Muster im Depot.
Diese bedeutsame Zeitschicht der Interieurs wurde zur Leitschicht in der Hauptetage des Schlosses. In Deutschland gibt es noch eine einzige Seidenmanufaktur, die in der Lage ist, diese Seidenstoffe mit den historischen Materialien in exaktem Rapport zu weben. Die Seidenweberei Eschke aus Crimmitschau fertigte alle Seidenstoffe für die Wandbespannung der Hauptetage und für die dazugehörigen Polstermöbel, die stets in den gleichen Farben und Designs gehalten waren, wie die Wände der jeweiligen Räume.
Kabinett der Fürstin
Eine Überraschung bot das Kabinett der Fürstin, in dem zuletzt ein greller Mintton die Wandflächen dominierte. Der baubegleitende Restaurator fand nach gründlicher Untersuchung des besonders aufwändig gestalteten Raumes heraus, dass das kleine Gemach ursprünglich in einem zarten Blau gehalten war. Die nun zutage tretende Eleganz wird noch gesteigert durch die restaurierten Möbel aus der Werkstatt des berühmten David Roentgen aus Neuwied. Dessen Werkstatt war 1771, als die Möbel bestellt wurden, die renommierteste deutsche Werkstatt. Bevor das Licht die Farben der Furniere dieser damals hochmodernen Möbel ins Bräunliche veränderte, waren auch die Möbel des Kabinetts der Fürstin von grau-blauer Eleganz.
Das Schlafzimmer der Fürstin
Im Schlafzimmer der Fürstin schmückt eine schwungvolle Draperie den Alkoven, in dem Louises Bett steht. Um nichts dem Zufall zu überlassen und den perfekten Schnitt zu entwickeln, wurde zunächst sogar ein Dummy genäht und probegehängt, bevor die Textilrestauratorinnen der teuren Seide mit der Schere zu Leibe rückten.
„Anprobe“ der Draperie im
Schlafzimmer der Fürstin Louise
Sobald die Museen in Sachsen-Anhalt ihre Türen wieder öffnen, präsentiert sich Schloss Wörlitz rund 250 Jahre nach seiner Errichtung (1769-1773) nun vollständig restauriert der Öffentlichkeit.
Annette Scholtka, Abteilung Baudenkmalpflege