Anfang der 90er Jahre entdeckt ein Stiftungsmitarbeiter ein verschollen geglaubtes Gemälde in einem Braunschweiger Museum. Nun endlich kann es als Dauerleihgabe im Gartenreich Dessau-Wörlitz gezeigt werden.
Vorgeschichte
1991 schrieb der damalige Abteilungsleiter der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, Oranienbaum und Luisium, Dr. Reinhard Alex, nach einem Besuch im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig einen bemerkenswerten Vermerk. Er habe dort ein Gemälde bemerkt, das mit höchster Wahrscheinlichkeit identisch sei mit einem, während des Zweiten Weltkriegs im Tresor der „Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt“ (ADCA) in Ballenstedt ausgelagerten und seitdem als verschollen bzw. gestohlen geltenden Gemäldes aus dem Wörlitzer Schloss. Es sei das Bild des berühmten holländischen Malers Philips Wouwerman mit dem Titel die „Falkenbeize“, gemalt mit Öl auf Holz, mit den Maßen 38,9 x 39,1 cm und mit der Wörlitzer Inventarnummer Jest 1029.
Erstmalige Erwähnung im Schloss Wörlitz
Erstmals findet das Gemälde von Wouwerman mit seinem Pendant, der „Halt vor dem Marketenderzelt“, Eichenholz, 39,3 x 40 cm in der 1788 in Dessau erschienenen Beschreibung des Fürstlichen Anhalt-Dessauischen Landhauses und Englischen Gartens zu Wörlitz von August Rode auf Seite 57 Erwähnung: „Die Gegenstücke Wouwermanns“ (s. auch M. L. Harksen 1939, S. 66: Nr. 187,Tafel 44a)
Philips Wouwermans "Die Falkenbeize", © Herzog Anton Ulrich-Museum, Niedersächsisches Landesmuseum Braunschweig Bedeutung
Die „Falkenbeize“ und sein Gegenstück hat Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff für das Konzertzimmer im Wörlitzer Schloss ausgewählt, weil er in diesem Raum die Schule der holländischen Malerei anhand ausgewählter Beispiele vorzeigen wollte. In einer seiner Schriften bezeichnet er Philips Wouwerman sowie dessen Landsmann Salomon von Ruisdaelals „die Besten der Niederländer“. Philips Wouwerman zählt tatsächlich zu den angesehensten Malern der holländischen Malerschule, der mit seinen, reich mit Staffagen, besonders Pferden, ausgestatteten Landschaftsbildern außerordentlich erfolgreich war. Die Wörlitzer Gemälde, die bei der Versteigerung der Sammlung Bögner 1778 in Frankfurt am Main ersteigert worden sind (Danke für diese Information an Uwe Quilitzsch), können als Spitzenbilder von der Hand des Künstlers gewertet werden.
Philips Wouwerman lebte von 1619 bis 1668.
Chronik der Rückführungsbemühungen
Die Rückführungsbemühungen setzten bereits im Januar 1992 mit einem Gespräch der Staatlichen Schlösser und Gärten mit dem damaligen Direktor des Herzog Anton Ulrich-Museums Dr. Jochen Luckhardt in Braunschweig ein. Hierbei wurde von beiden Seiten die Identität des Gemäldes zweifelsfrei festgestellt. Das Bild sei 1950 von einem Forstmeister Rauch aus Ballenstedt für 6.400,- DM (der tatsächliche Wert ist um ein Vielfaches höher) vom damaligen Direktor Cornelius Müller Hofstede erworben worden. Für Luckardt stand somit fest, dass keine Rückforderungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Gleichwohl könne man über eine Rückführung in Form einer Dauerleihgabe, eines Rückkaufes oder über die Anfertigung einer guten Kopie nachdenken. Für eine Dauerleihgabe wurden damals allerdings von Seiten Luckhardts konservatorische Bedenken geltend gemacht.
Ab dem Juli 1992 befasste sich das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt mit der Angelegenheit. Auch die daraufhin stattfindenden Gespräche mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen, Hannover führten zu keinem befriedigenden Ergebnis.
1993 einigten sich die Direktoren auf die Anfertigung einer Kopie, deren Kosten samt Neuanfertigung des Rahmens von der Kulturstiftung übernommen wurden und die sich seit 1997 als eher unbefriedigender Ersatz im Schloss Wörlitz befindet.
Nach mehreren neuerlichen Gesprächsanläufen auch auf ministerieller Ebene in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sowie zwischen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und dem H.A.U.-Museum über die Eigentumsfrage kam von Seiten des Braunschweiger Direktors der Vorschlag, das Bild als Dauerleihgabe an die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz zu geben, dies jedoch nur unter der Bedingung, das Gemälde durch eine Klimavitrine zu schützen.
2005 wurde eine kaum sichtbare Bild- oder Flachvitrine beauftragt, die im Originalrahmen gezeigt werden kann und an der Wand hängt. Bis 2007 sollte es dauern, bis das originale Gemälde nun in einer Klimavitrine montiert und mit ihr in den neuen Zierrahmen eingepasst war. Nun hätte eigentlich der Transport nach Wörlitz stattfinden sollen, jedoch stand dieses Mal die schlechte Haushaltssituation der Kulturstiftung dem kostspieligen Kunsttransport im Weg. Aus Anlass der Fertigstellung der Restaurierungen im Erdgeschoss des Schlosses bemühte sich die Kulturstiftung nun erneut um die Ausleihe. Das H.A.U.-Museum mit seinem neuen Direktor Dr. Thomas Richter erwies sich als äußerst entgegenkommend. Nach intensiven Vorbereitungen stand der Transporttermin im März 2020 bereits fest. Nun aber hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Noch in diesem Jahr wird das wertvolle Bild wieder an seine originären Platz im Konzertzimmer des Wörlitzer Schlosses zurückkehren. Wir werden berichten und laden schon jetzt herzlich zur Besichtigung ein!
Dr. Wolfgang Savelsberg, Abteilungsleiter Schlösser und Sammlungen