Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Im Wörlitzer Schloss hat eine Zahl bedeutsamer Möbel aus der Manufaktur David Roentgens die Jahrhunderte überdauert. 

Aufbauend auf der Erfahrung und Kunstfertigkeit seines Vaters Abraham Roentgen (1711–1793) entwickelte dessen Sohn David (1743–1807) die Tischlerwerkstatt zur führenden Manufaktur Europas. Die Höfe von Paris bis Sankt Petersburg gehörten zu seinen vornehmen Kunden. Heute schätzt man, dass zwischen 2000 bis 2500 Möbel die Manufaktur verließen, wovon etwa 500 erhalten geblieben sind. Der größte Bestand befindet sich im Berliner Kunstgewerbemuseum.

Johann Wolfgang von Goethe setzte dem berühmtesten deutschen Kunsttischler David Roentgen in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ 1821 ein spätes literarisches Denkmal. Wesentlich früher, schon 1771, war der Dessauer Hof auf den erstklassigen Ebenisten in Neuwied aufmerksam geworden. Es mutet seltsam an – das modernste Landhaus des europäischen Festlandes war noch im Bau befindlich, sein Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736 – 1800) hielt sich in Rom auf – und doch wurden schon kostbare Möbel von Roentgen geliefert. Sie waren für das Kabinett der Fürstin (ihr An- und Abkleidezimmer) bestimmt.

„Es verdrießt mich sehr, daß ich mich in meiner Einrichtung des Toiletten Zimmers nicht vollkommen nach den bestellten Meubles gerichtet habe“ schrieb Erdmannsdorff am 16. Juli 1771 an den Fürsten Franz von Anhalt-Dessau. Es ist eigenartig, dass sie nicht in den frühen Beschreibungen des Landhauses ab 1788 genannt wurden. 1913 bildete sie Adolph Hartmann in seinem Buch „Der Wörlitzer Park und seine Kunstschätze“ ab – ohne sie jedoch mit einem Wort zu erwähnen. Erst Marie-Luise Harksen verzeichnete diese 1939 im Inventarband „Stadt, Schloß und Park Wörlitz“an ihrem heutigen Standort – genau beschrieben und vermessen. Dieser Tatsache wurde bislang kaum Beachtung geschenkt. Insgesamt waren es zwölf Möbel, die 1771 mit der stattlichen Summe von 243 Reichstalern bezahlt wurden. Davon sind elf erhalten geblieben, neun können heute im Kabinett der Fürstin im Schloss Wörlitz bewundert werden. Es handelt sich dabei um die ersten Möbel im klassizistischen Stil, die in der Werkstatt Roentgens hergestellt wurden: vier Stühle, ein Arbeitstisch für Damen, zwei Schränkchen und zwei Spieltische.

Das Paar Verwandlungstische fasziniert durch Qualität und Funktionalität. Jeder Tisch kann zum Schachspiel, Kartenspiel und/oder zum Schreiben verwendet werden. Buche, Eiche, furniertes Ahorn und vor allem die eingefärbten Hölzer als Intarsien verwendet, verleihen den Möbeln im Einklang mit Bronzebeschlägen und Vergoldungen einen besonderen Reiz. Praktisch ist die Funktion, dass die Tischfüße für den Versand abgeschraubt und Beschädigungen so vermieden werden konnten. Zwei langgestreckte Bänke aus der oben genannten Lieferung befinden sich heute im Schloss Georgium. Für 1797 ist eine wohl letzte Möbellieferung von Roentgen nach Dessau nachgewiesen: Für 509 Taler wurden „ein Schreibeschrank, Tisch und Kästchen“ geliefert.

Durch die Revolution in Frankreich verlor Roentgen einen Großteil seiner zahlungskräftigen Kundschaft, was die Manufaktur in eine Krise stürzte, von der sie sich nicht erholen sollte. Verzweifelt versuchte der beste europäische Kunsttischler 1798 sein Unternehmen nach Dessau zu verlagern, da hier „der allervorzüglichste Platz zu einer solchen Fabrike“ vorhanden wäre, wie er in einen Brief nach Dessau schildert. Fürst Franz von Anhalt-Dessau jedoch ließ von seiner Hofkammer ein Gutachten erstellen und lehnte dies zugunsten der Dessauer Tischler-Zunft ab.

Uwe Quilitzsch, Abteilung Schlösser und Sammlungen