Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Andreas Mehnert, Kastellan des Schlosses Mosigkau
© KsDW, Silke Wallstein

Die vier Landhäuser des ehemaligen Hauses Anhalt-Dessau, heute zumeist als Schlösser bezeichnet, stehen unter der Obhut unserer Kastellaninnen und Kastellane.

Von einem seltenen Beruf mit besonderem Reiz

Der Titel bezeichnet den Aufsichtsbeamten eines größeren Anwesens, einer Burg, eines Schlosses oder Palais. Im Mittelalter war die Bezeichnung die eines Burgvoigts. In der heutigen Zeit sind Kastellaninnen und Kastellane staatliche oder private Bedienstete, die die Verwaltungsangelegenheiten einer Burg oder eines Schlosses regeln. Meist sind sie auch mit Gästeführungen sowie wissenschaftlichen Recherchen zu den betreffenden Bauten/Objekten beauftragt.

Der Beruf des Kastellans, und von Beginn an auch der Kastellanin, hat im Gartenreich Dessau-Wörlitz eine lange Tradition, die schon seit der Erbauung der einzelnen Schlösser nachweisbar ist. Schon zu Zeiten des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau waren sie mit den Führungen von Gästen durch die jeweiligen Sommerschlösser beauftragt. Damit konnten bereits in diesen frühen Tagen fundierte Kenntnisse über die einzelnen Häuser weitergegeben werden, da sie natürlich das jeweilige Schloss bestens kannten.

Neben den heutigen, musealen Führungen, der Organisation des gesamten Schlossbetriebes und der Betreuung von Gästen des Gartenreichs gehört zum Aufgabenfeld der Kastellane auch, sich immer wieder kritisch mit dem jeweiligen Objekt auseinander zu setzen. Und genau darin liegt ein großer Reiz dieser Tätigkeit. Sie lernen im Laufe der Zeit jeden Winkel, jeden in die Wand gehauenen Nagel in „ihrem Schloss“ kennen und finden immer mehr Eigenheiten oder Besonderheiten des Hauses heraus.

Vom Kastellan in den Fokus gerückt

In Mosigkau rücken neben vielen noch unbeantworteten Fragen zur Architektur des Schlosses auch immer wieder Mitglieder der ehemaligen Fürstenfamilie in den Fokus, die in der Geschichtsforschung bislang wenig Beachtung fanden.

So spielte die früh verwitwete und kinderlose Herzogin Marie Eleonore von Radziwill (1671–1756), eine geborene Prinzessin von Anhalt-Dessau, eine wichtige Rolle für die Entstehung der Mosigkauer Sammlung ihrer Nichte Anna Wilhelmine. Marie Eleonore war die letztüberlebende Tochter Henriette Catharinas (1637–1708) aus dem Hause Oranien-Nassau. Durch verschiedene Erbschaftsvorgänge war der größte Teil des in Anhalt existierenden oranischen Bilderschatzes in ihren Besitz gelangt. Diese Gemälde konnten größtenteils in Dessau erhalten bleiben – nicht zuletzt, weil die Erbinnen der Marie Eleonore der nicht erbberechtigten Nichte Anna Wilhelmine zahlreiche Ankäufe ermöglichten. Betrachtet man die Sammlung der Anna Wilhelmine in Mosigkau, so ist die Auswahl der Werke sicher kein Zufall. Prinzessin Anna Wilhelmine konzentrierte sich auf die wichtigsten Vertreter flämisch-niederländischer Malerei und gab mit der erworbenen Sammlung  wichtige Hinweise auf ihre dynastischen Verbindungen, die u. a. bis zum englischen Königshaus reichten. Korrespondenzen zwischen der Prinzessin Anna Wilhelmine und ihrer Tante Marie Eleonore geben Hinweise, dass hier bereits gemeinsam ganz genau auf die heute noch in weiten Teilen erhaltene Sammlung hingearbeitet wurde. Anna Wilhelme kaufte die Sammlung für mehr als 2.218 Thaler 1, was damals ein Vermögen darstellte und gleichzeitig auch die gute wirtschaftliche Stellung der Prinzessin bezeugt.

Ohne Marie Eleonore bzw. den Rückkauf der Sammlung durch Mitglieder ihrer Familie wären im Gartenreich heute weit weniger bedeutende Gemälde vorhanden. Die früh verwitwete Herzogin von Radziwill spielte demnach im 18. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Dennoch fand sie bis heute kaum Beachtung.

Andreas Mehnert, Kastellan des Schlosses Mosigkau

W. Salvelsberg, Eine ›Beauty-Gallery‹ im Schloss Mosigkau, 12 englische Hofdamenporträts nach Anton van Dyck in der Sammlung einer Anhalt-Dessauischen Fürstentochter, in: W-R-Jb. 55, 1994, 185–204, hier 186