Die Wörlitzer Domäne wurde zwischen 1783 und 1787 nach Plänen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichtet. Als Vorbild diente die italienische Villa Emo, wodurch der Bau eine besondere kulturell-künstlerische Bedeutung für den frühen Klassizismus in Deutschland erhielt. Bauleiter war Georg Christoph Hesekiel. Die Anlage entstand als Musterhof und beeindruckte durch ihre klar geschlossene Vierseitanordnung aus drei Scheunen- und Stallflügeln sowie einem Amtshaus.
Das Erscheinungsbild der Domäne prägt bis heute die regionaltypische Backsteinarchitektur. Als Ein- bzw. Ausgang von Wörlitz bildet sie einen markanten baulichen Orientierungspunkt von hoher landschaftlicher und örtlicher Wirkung. Auch aus Richtung der Insel Stein setzt das Amtshaus mit der geschlossenen Dachfläche des Kuhstalls und seiner Backsteinfassade einen bedeutenden Blickpunkt, der die historische Biberdeckungslandschaft eindrucksvoll veranschaulicht.
Die Domäne soll wieder als funktionales, in sich geschlossenes Ensemble hergestellt werden. Das Land Sachsen-Anhalt erwarb hierzu 2020 drei zum Verkauf stehende Flurstücke und übertrug sie der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz zur weiteren Entwicklung. Ziel ist die Etablierung einer Betriebsstätte der KsDW sowie zusätzlicher kultureller Nutzungen, etwa durch Ausstellungsbereiche.
Westliche Scheune mit Dachaufbauten im Sommer 2025 und ohne Dachaufbauten im Dezember 2025 ©KsDW, Hartmann
Der Vierseitenhof umfasst Gebäude in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand. Einige Bereiche bewahren ein hohes Maß an historischer Substanz, andere wurden über die Jahrzehnte stärker verändert oder Teile sogar abgebrochen. Zentrum der Anlage ist der Hof, ehemals eine offene, mit Lesesteinen gepflasterte Wirtschaftsfläche, die in der Mitte ein heute nicht mehr erhaltenes Bauwerk trug. Die der KsDW gehörenden Freiflächen wurden 2024 beräumt, um Gefahren zu beseitigen und sie wieder nutzbar zu machen.
Westliche Scheune, südlicher Teil mit Getreidetrocknungsanlage im Sommer 2025 (©KsDW, Hartmann) und nach dem Rückbau, Dezember 2025 (©KsDW, Metan)
Die westliche Scheune ist eines der wenigen vollständig originalen Bauwerke aus der Erbauungszeit. Sie bildete einst den westlichen Riegel der Domäne. Der nördliche Teil wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen und soll künftig rekonstruiert werden. Der südliche Teil wurde in der DDR-Zeit stark überformt. Hier entstand eine großdimensionierte Getreidetrocknungsanlage, die tief in den Dachraum eingriff und sogar darüber hinauskragte – ein gravierendes statisches Risiko. Zusätzlich wurde eine überdachte Rampe angebaut, die inzwischen stark baufällig war. Da westlich der Scheune ein öffentlicher Weg verläuft und östlich ein Wegerecht für eine noch dort wohnende Familie besteht, bestand „Gefahr in Verzug“. Der Rückbau der Ein- und Anbauten war daher zwingend erforderlich – sowohl zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit als auch zur Vorbereitung der geplanten zukünftigen Nutzung der Scheune und zur Reparatur der Dachflächen.
Dank einer Förderung des Landes Sachsen-Anhalt konnten die gefährdenden Bauteile entfernt und das Gebäude für weitere Maßnahmen vorbereitet werden. Die Arbeiten wurden in den vergangenen Monaten durchgeführt und Anfang Dezember abgeschlossen.
Robert Hartmann
Abteilungsleiter Baudenkmalpflege
Titelmotiv: Westlicher Teil der Domäne Wörlitz ©KsDW, Heinz Fräßdorf
