Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Johann Reinhold Forster, Johann Friedrich Bause nach Anton Graff, 1781, KsDW, Sign. IV–345.

In der Rubrik „Material und Forschung“ werden historische Objekte und Quellen mit Bezug zu den Forschungsthemen des Gartenreichs vorgestellt. Den Auftakt macht ein Brief des Naturforschers und Weltreisenden Johann Reinhold Forster an Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau aus dem Jahr 1783. 

Die besondere Beziehung zwischen dem Fürstenpaar Anhalt-Dessau mit Johann Reinhold Forster und dessen Sohn Georg Forster ist gut bekannt, dokumentiert und erforscht. Demnach lernte man sich in England im Sommer 1775 – vor genau 250 Jahren – nach der Rückkehr der beiden Forsters von der zweiten Weltumsegelung mit James Cook kennen und schätzen. Die Forsters schenkten dem Fürstenpaar einige ethnologische Objekte, die im Südseepavillon auf dem Eisenhart ihren Platz fanden und heute im Mezzanin des Wörlitzer Schlosses zu sehen sind. Weniger bekannt hingegen dürfte sein, dass der Kontakt mit Johann Reinhold Forster weiter bestand und von einem Austausch von botanischem Wissen und Pflanzen bzw. Pflanzensamen geprägt war.

Maulbeerbaum im Luisium © KsDW, Peter Dafinger

Der viel gereiste Johann Reinhold Forster lebte seit 1780 im nicht weit von Dessau entfernten Halle. Im gleichen Jahr hatte er eine Professur für Naturgeschichte und Mineralogie an der dortigen Universität erhalten und war in diesem Zusammenhang auch für den Botanischen Garten der Saalestadt zuständig. Über seine zahlreichen internationalen Gelehrten- und Korrespondenznetzwerke war Forster bestens in den globalen Handel mit Pflanzen involviert. Davon profitierte man auch in Anhalt-Dessau. Im Juni 1783 übersandte Forster dem Fürsten, der sich dem Trend der Zeit folgend für Maulbeer- und Seidenraupenzucht interessierte, „zweierlei tatarische Maulbeersaamen“. Maulbeerbäume bzw. Maulbeerbaumalleen befanden sich im späten 18. und 19. Jahrhundert in Wörlitz, in Mosigkau und im Luisium, wo man heute noch ein altes Exemplar bewundern kann. Ob einige dieser Maulbeerbäume aus dem Saatgut, das Forster geschickt hatte, gezogen worden sind, sei dahingestellt. Belegt ist nichts, möglich alles. Hier der originale Wortlaut des Briefes, der sich im Landesarchiv Sachsen-Anhalt befindet (Sign. Abteilung Dessau, A 10, Nr. 219):

 

Durchlauchtigster Fürst

Gnädigster Herr

Ew. Durchl. nehme die Freiheit zweierlei tatarischen Maulbeersaamen zu übersenden den ich erst gestern mit der Post aus Zaritzin in Rußland erhalten habe. Die Inseln der Wolga, in welchen dieser Maulbeerbaum wächst, stehen jährlich im Mai, Junius und Julius überschwemmt. Die Kälte die sie ausstehn, ist sehr gros, denn ob sie gleich im Sommer mehr Hitze als in Deutschland haben, so steht doch die Wolga vom Sommer bis zum April mit Eis bedekt; und da diese Bäume wild wachsen und deren Blätter doch eine so schöne Seide geben, die an Glanz und Feine der besten Turiner Seide gleich kommt, so wird dieselbe Art sich an feuchten Orten im leichten von Thon und Sand gemischten Boden sehr gut  für unser Clima zu Verbeßerung unsrer Seiden-Cultur schicken. In den Gegenden längst der Elbe die jährlich überschwemmt werden, müßen diese Maulbeerbäume gut fortkommen. Die schöne Seide welche aus Ghilan und Moghan und Schirwan in Persien herkommt, ist von solchen Seidenwürmern, welche diese Maulbeerblätter eßen. Es empfiehlt sich danach die Cultur dieser neuen Maulbeerbäume, welche in diesem Theile Europas bisher gänzlich unbekant gewesen, von selbst. 

Der patriotische Sinn Ew. Hochfürstl. Durchl. wird es mir also nicht ungnädig nehmen, daß ich eine jede Gelegenheit ergreife Hochdemselben die Ehrfurcht zu bezeugen, mit der ich nie aufhöre mich zu nennen Ew. Hochfürstl. Durchlaucht 

Ganz unterthänigsten Diener Forster

Halle den 6ten Jun. 1783

 

PD Dr. Jana Kittelmann, Abteilung Schlösser und Sammlungen
Titelbild: Maulbeerbaum im Luisium© KsDW, Peter Dafinger