Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Das „Braunschweigische“ Schreibzeug aus dem Nachlass der Prinzessin Anna Wilhelmine – Altwiener Porzellan um 1730

Im Privatkabinett der Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau (1715–1780) im Schloss Mosigkau, steht im Eckschrank über dem kleinen Schreibbüro  ein sehr seltenes Altwiener Porzellanschreibzeug.

Am 7. August 1779 erstellte die Prinzessin ihr Testament und legte in der beiliegenden Stiftsordnung die künftige Benutzung ihres figürlich gestalteten, kostbaren fünfteiligen Tabletts mit Schreibutensilien fest. Das durch sie gegründete Hochadelige Fräuleinstift erhielt es zur gemeinschaftlichen Benutzung bei den Sitzungen des Stiftskapitels im Kapitelzimmer vererbt. Das mit Behangwerk und vergoldeten Balustern geschmückte Tablett für die Geräte wird von zwei nach oben blickende Löwen mit aufgesperrtem Maul getragen und bietet Platz für Tintenfass, Sandstreudose und Glocke, die mit reicher Ornamentik in Purpurtönen und kräftigen Goldrändern verziert sind. Die fest montierte Kerzentülle wurde mit Blumen dekoriert. Die vordere Querablage war für das scharfe kleine Messer zum Anspitzen der Schreibfeder (z. B. Gänsefeder) bestimmt. Das Tintenzeug entstand in der Du-Paquier-Periode, wie die frühe Zeit der Wiener Porzellanmanufaktur von ihrer Gründung 1718 bis zu ihrer Übernahme in Staatsbesitz durch Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1744 genannt wird.

Diese Manufaktur war die zweite Produktionsstätte von Hartporzellan nach der Meißener in Europa. Unter Claudius Innocenitus Du Paquier entstanden diverse Services, Ausstattungen für Porzellankabinette, aber auch kostbare Einzelstücke wie Vasen, Potpourris, Uhrengehäuse, Weihwasserbecken, Schreibzeuge und vieles andere mehr. Die Objekte aus dieser Zeit zeichnen sich durch eine eigenwillig-exotische Gestaltung aus. Klare Formen, kombiniert mit Fabeltieren oder Menschenfiguren wurden mit Gitterwerk, Laub- und Bandelwerk und Blumen dekoriert. Die Glocke zum Läuten nach dem Boten trägt auf der Schauseite das Monogramm WA bzw. AW in Purpurfarbe, während die Rückseite ein springendes Pferd mit einer lateinischen Inschrift zeigt, die in etwa bedeutet: „Es folgt dem richtigen Weg.“ Nachdem ihre Dokumente mit heißem Siegellack und ihrem Petschaft (Siegelstempel) gesiegelt waren, konnte der Bote übernehmen und sie dem Empfänger zustellen.

Nur sehr wohlhabende Personen konnten sich ein solch seltenes Porzellan leisten. Es ist –dem Wappen nach –anzunehmen, dass es einst für die Prinzessin Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg-Calenberg (1673–1742), die spätere römisch-deutsche Kaiserin und Gemahlin Kaiser Josephs I. angefertigt wurde. Ihre ältere Tochter, Maria Josepha, verheiratete Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen (1699–1757), stand mit der Prinzessin Anna Wilhelmine in Kontakt. Beide waren an dem „Weißen Gold“, dem in Europa noch seltenen Porzellan, sehr interessiert. Unbekannt ist, ob das kostbare Altwiener Porzellan über sie bzw. wie es in die Hände der Prinzessin Anna Wilhelmine gekommen ist. Es bleibt offen, ob sie vielleicht das standesgemäße Schreibzeug mit dem (zufällig?) passenden Monogramm auf der Glocke käuflich erworben hat, oder ob es ein würdiges Geschenk zu einem besonderen Anlass gewesen ist.

Das kostbare höfische, in den Archivalien als „Braunschweigisches Porzellan“ bezeichnete Schreibzeug, Erbstück des „Hochadeligen Fräuleinstifts Mosigkau“, wies schon in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts durch den „Zahn der Zeit“ verursachte Schäden auf, die die Stabilität und den Gesamteindruck sehr  beeinträchtigten. Deshalb entschloss sich das damalige ‚Staatliche Museum Schloß Mosigkau‘ 1994 zu einer zurückhaltenden Restaurierung durch den Spezialisten für alte Porzellane und Fayencen, Hans Martin Walcha in Dresden. Alle Teile wurden gereinigt, fachmännisch wieder zusammengefügt, Fehlendes in Porzellanmasse nachmodelliert, jedoch ungefasst (ohne Dekor) in der graugrünlichen Glasur ergänzt, so dass der prächtige Eindruck zurückgewonnen werden konnte.

Schreibzeug :

Tablett, Tintenfass, Streusanddose, Glocke und Kerzenhalter 

Wien, Du Paquier um 1725

Porzellan, L: 20 cm ,H: 17 cm; noch ohne Marke

Aus dem Nachlass der Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau 
 

Kristina Schlansky, Abteilung Schlösser und Sammlungen