Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Im Gotischen Haus in Wörlitz ist eine bemerkenswerte Sammlung an Cranach-Gemälden zusammengetragen worden. Einige Werke sind schon zur Schaffenszeit der Cranach-Werkstatt in Wittenberg im frühen 16. Jahrhundert nach Anhalt gelangt. Andere Stücke wurden später angekauft.

Auf dem Gemälde „Die Geburt Christi“, das in der Bibliothek des Gotischen Hauses hängt, wird der Stall durch eine einfache Mauer dargestellt. Ein offenes Fenster lenkt den Blick in Richtung eines Feldes, auf dem der Erzengel gerade den Hirten die frohe Botschaft von der Geburt des Heilands verkündet. Diese laufen sogleich nach Bethlehem. Während die Ersten bereits an der Krippe knien, betritt ein Dritter die Szene und nimmt seinen Hut ab. Da kalter Winter herrscht, tragen die Hirten ihren Mantel über den Kopf gezogen und dicke Handschuhe. Das von einem Strahlenkranz umgebene Christkind liegt in einem steinernen Futtertrog. Ochse und Esel fressen Heu und Gras. Im Zentrum des Bildes kniet die betende Maria. Zahlreiche Engel füllen deren Heiligenschein. Josef kniet andächtig am Kopfende. So gibt das Bild die Geschehnisse wieder, wie sie der Evangelist Lukas (Kap. 2, 8-16) beschrieben hat.

Das Bild folgt einer für die Cranach-Werkstatt typischen Komposition, die mit kleinen Abweichungen immer wieder abgebildet wurde. Die Anordnung der Figuren variiert. Manchmal haben sich die Engel auch um die Krippe versammelt und betrachten das Kind. Die Detailszene der Verkündigung an die Hirten platzierte der Künstler manchmal rechts manchmal auch links oben. Sie findet sich in vergleichbarer Art ebenfalls auf dem Lehrbild „Gesetz und Gnade“ wieder. Auch andere Elemente wiederholen sich immer wieder in Werken aus der Cranach-Produktion: Die Ansammlung von Engelsköpfen findet sich auf Heiligenbildern oder steht für Himmel und Paradies. Die kleinen Engel zeigen sich aber auch als Zaungäste, die das Geschehen aus der Ferne beobachten, etwa auf dem Tafelbild „Die mystische Vermählung der heiligen Katharina“ (um 1516/18). Cranach hatte den Malbetrieb in seiner Werkstatt optimiert: Wiederkehrende Elemente wurden mit Schablonen auf Tafeln mit Standardformat übertragen. So konnten in kurzer Zeit Bilder in hoher Stückzahl die Werkstatt verlassen. Dies galt vor allem für Bilder mit dem immer selben Thema, zu denen die Geburt Christi zweifellos gehörte.

Das Gemälde zeigt eine christliche Kernbotschaft, nämlich die Menschwerdung Gottes durch die Geburt Christi und die damit verbundene Erlösung von allem Bösen. Dies gilt für alle Menschen, weshalb die frohe Botschaft zuerst den Hirten verkündet wird, die die unterste Gesellschaftsschicht repräsentieren. Alle Gläubigen können also das Heilsgeschehen in Bethlehem für sich persönlich in Anspruch nehmen. Das macht diese Bilder in allen Zeiten und Konfessionen so populär. Vermutlich diente das kleine Bild von etwa 49 x 75 cm auch der privaten Andacht. Aus ihm spricht – ebenso für Nicht-Christen – die Zuversicht, dass sich schließlich alles zum Guten wenden wird.

Dr. Rüdiger von Schnurbein, Abteilung Schlösser und Sammlungen