Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Der Baumgarten am Gotischen Haus verdeutlicht in ganz besonderer Weise den Charakter der Wörlitzer Anlagen als einen Verbund mehrerer, unterschiedlich gestalteter Parkteile. So gehört er zum Parkteil „Schochs Garten“, in dem er aber als eigenständige Partie wahrgenommen wird.

Grund dafür ist vor allem die ringförmige Einfassung durch einen niedrigen Erdwall. Dieser sollte hier im Falle eines Deichbruchs, wie man ihn 1770/71 erlebt hatte, wenigstens diesen Gartenbereich vor Überflutung schützen. Das Oval dieses kleinen Walles ermöglich einen erhöhten Rundweg, welchen man nach englischem Vorbild als „belt walk“ (Gürtelweg) bezeichnete. Entlang dieses Rundweges und geschlängelter Nebenwege reihen sich verschiedene Gartenbilder aneinander, deren Reiz schon August von Rode in der historischen Beschreibung des Wörlitzer Parks (1814) schilderte: um einen ausgedehnten Rasen im Zentrum „schlängeln sich auf und neben dem Walle durch die darauf befindliche Pflanzung breite und schmälere Wege, die, verschieden beleuchtet oder beschattet und grüne Säle mit Grasvertiefungen streifend, zuweilen sich durchkreuzen, zuweilen bei Standpunkten reichhaltig an Aussichten sich vereinen, zuweilen auch in kleinen Rundungen mit Bänken sich verlaufen.“

Nachdem der nördliche Teil des Baumgartens schon vor einigen Jahren instandgesetzt worden war, erfolgte auf Grundlage der 2017 erarbeiteten Planung die Restaurierung des südlichen Abschnitts. Dort waren durch Auflichtungen die ursprünglichen Raumstrukturen wiederherzustellen, aber auch Sturmschäden jüngerer Unwetterereignisse zu beseitigen. Auf einer Länge von etwa 500 Metern wurde das kleinteilige Wegesystem erneuert, Gehölzpflanzungen überarbeitet und Vegetationsflächen wiederhergestellt. In Anlehnung an das für die Entstehungszeit typische Motiv, Gehölzpflanzungen sehr abwechslungsreich zu strukturieren und mit Blumenpflanzungen zu ergänzen, säumen nun die Wegränder in schattigen Abschnitten Himmelsschlüssel, Christrosen und Immergrün.

Mit dem schrittweisen Ausbau des Gotischen Hauses hat der Baumgarten schon zu Lebzeiten des Fürsten Franz eine Weiterentwicklung erfahren. Zeugnisse späterer Anpflanzungen auf der zentralen Rasenfläche stellen einzelne Koniferen und die prächtigen Magnolien dar. In Fortführung des gartendenkmalpflegerischen Konzepts, mit dem eine Wiederannäherung an den Zustand um 1800 verfolgt wird, wurden jetzt die Gruppenpflanzungen von Obst- und Maulbeerbäumen ergänzt.

Um den Besucherverkehr in den Sommermonaten möglichst wenig zu behindern, erfolgten die Arbeiten in mehreren Etappen außerhalb der Hauptsaison. Nach Abschluss der letzten Maßnahmen der Entwicklungspflege können sich nun Spaziergängerinnen und Spaziergänger wieder von den vielfältigen Gartenbildern entlang des „belt walk“ bezaubern lassen. Vielleicht nutzen sie dann auch den aus Findlingen gebildeten Sitz am Ufer des Wörlitzer Sees für eine Ruhepause. Von hier bietet sich ein weiter Blick über die glitzernde Wasserfläche, zum Nymphaeum und zur Insel Stein mit dem Vulkan in der Ferne. Eine Aussicht, die uns die Begeisterung Rodes nachempfinden lässt: „Nichts übertrifft den Anblick, der uns hier froh macht!“

Michael Keller, Abteilungsleiter Gärten und Gewässer