Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Taubenhaus, Riesigk, Dorfstraße 26, 1.V. 19.Jh., Fachwerk über Unterbau aus Ziegelmauerwerk
aus: Denkmalrahmenplan Gartenreich Dessau-Wörlitz, Dezember 2007

Bis zum Wintereinbruch in der letzten Novemberwoche wurde am Limesturm noch fleißig gewerkelt. Jetzt ist am Deichwächterhaus in der Nähe des Schönitzer Sees erst einmal  Winterruhe eingekehrt.

Der Limesturm und seine Vorbilder…

„Das Nützliche mit dem Schönen verbinden“ war der Leitspruch des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, der auch den Hochwasserschutz an Elbe und Mulde umfasste. So entstanden von 1770 bis 1800 zahlreiche Wallwachhäuser entlang der Deiche des Gartenreichs. Diese eigentlichen Zweckbauten wurden durch ganz unterschiedliche äußere Formen in die Landesverschönerung eingebunden. Zu ihnen zählt auch der sog. „Limesturm“ im Stil eines römischen Wachturms. In der Karte der Herzogl. Anhalt Dessauischen Ämter von 1817 und 1818 ist er als Hohe(s) Wachhaus eingezeichnet.

Die Bezeichnung „Limesturm“ prägte der Kulturhistoriker Prof. Dr. Erhard Hirsch. In seinem Werk „Dessau-Wörlitz, Aufklärung und Frühklassik“ schildert er: „Das Unterrichtende mit dem Praktischen verbunden zeigt sich überall, von der Nachbildung der Hadrianswälle Nordenglands im Luisium bis zur archäologischen Rekonstruktion eines römischen Limes mit Wachturm und einem Walldurchlaß, wo der Elbdamm die italienisch-römische Kulturlandschaft gegen die ‚Barbarenstämme‘ vom Norden her abschirmt.“( Hirsch 1987, S. 217) Die benannten ‚Barbarenstämme‘ sind eine interessante Metapher für den Schutz des Deiches vor Treibholz und Eis während eines Hochwassers.

Tatsächlich lassen sich auch hinsichtlich des Aufbaus Parallelen zwischen der Anlage am Wallwachhaus und dem obergermanischen Limes ziehen. Von der Elbe aus gesehen stellt sich der Querschnitt wie folgt dar: ein waldfreies Gelände, ein kleiner Wassergraben, eine Aufreihung von Walleichen (Andeutung einer „Palisade“), anschließend der Deich selbst, ein Laufweg und nochmals ein Wassergraben. Auch eine Deichscharte, welche bei Hochwasser verschlossen werden kann, gehört zur Szenerie, die Erhard Hirsch wie folgt als Bildungsabsicht beschreibt:

„Die Platzierung an einem Wall-Durchlaß (…), sein weit ausladendes Dach, dessen Vorkragung den Sonnenschirm für die Beobachtungsposten lieferte, die vor den Wall gesetzte Palisade aus Eichenstämmen (die auch zugleich die Eisblöcke bei Hochwasser der Frühjahrsschmelze vor dem Deich abbremsten) und schließlich der Graben (hier mit Wasser gefüllte für Fischzucht und als Viehtränke genutzt): All dies als ein aufwendiges, eindrucksvolles pädagogisches Programm zum Hintergrund, (…)“ (Hirsch: Kleine Schriften zu Dessau-Wörlitz, 2011, S. 57).

Nicht von der Hand zu weisen ist die Ähnlichkeit zu den um 1800 errichteten Taubenhäusern auf den Gehöften von Riesigk, Vockerode und Griesen, weswegen der Limesturm von Einheimischen auch gern als „Taubenhaus“ bezeichnet wird. Alle weisen eine überkragende Fachwerketage über einem gemauerten Erdgeschoss sowie ein Pyramiden- oder Satteldach auf.

Evident denkbar, so zeigt Erhard Hirsch auf, ist der Bezug zum Motiv eines spätmittelalterlichen Zollturm, der heute immer noch an der äußeren Rundung des Circus Maximus in Rom steht.

Die Nutzung des Limesturmes

Wie in allen Wallwachhäusern im Gartenreich wurden auch im Limesturm Geräte und Materialien für den Hochwasserschutz gelagert. Sie dienten  den Wachmannschaften als Unterkunft: Von den meist höher gelegenen Gebäuden konnten sie die überfluteten Gebiete gut übersehen und fanden einen sicheren Zufluchtsort bei einer Überflutung. In jüngster Zeit wurde das Bauwerk für artenschutzfachliche Beobachtungen genutzt – ein Stützpunkt inmitten der Natur.

Schritt für Schritt die Bausubstanz sichern…

Nachdem das denkmalgeschützte Objekt der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz 2019 übertragen wurde, konnten nun Untersuchungen und auch dringend notwendige bauliche Ertüchtigungen stattfinden.

Bei Freilegungsarbeiten wurden morsche Balkenköpfe zwischen Keller- und Erdgeschoss, eine komplett abgängige Fassadenfachwerkwand im Obergeschoss und viele nicht mehr tragfähige Dachbalken festgestellt. Um diesen vielfältigen Schadbildern entgegen zu wirken, wurden Gerüstbauer, Dachdecker, Zimmermannsleute, Malermeister, Natursteinrestauratoren, Steinmetze, Stuckateure, Maurer und nicht zuletzt Fachplaner gebunden. Sie alle arbeiten seit Mitte dieses Jahres am Objekt und die Fortschritte sind bemerkenswert.

Zunächst wurde das Dach abgedeckt, um den Dachstuhl statisch zu entlasten. So konnte der überkragende Dachüberstand wieder aus seiner deformierten Form angehoben und gerichtet werden. Im Anschluss sollte das Fachwerk des Obergeschosses ertüchtigt werden. Aus der geplanten Ertüchtigung ist beinahe ein kompletter Austausch der Fachwerkelemente geworden. Die Bauuntersuchungen hatten starken Materialschwund und -schwäche zutage gebracht. Anhand der originalen Bauteile wurden alle Riegel, Ständer und Streben der Westfassade nachgebildet und wieder als Fachwerkwand errichtet. Auch Altholz fand wieder seinen alten Platz, sofern dies vom Holzsachverständigen als tauglich kategorisiert wurde.

Die Außenhülle wird außerdem durch etliche Sandsteinelemente geprägt. Hier sind vor allem auf der Wetterseite große Verluste zu verzeichnen. Steinrestauratoren sind dabei mit Sandsteinergänzungsmasse Elemente zu reprofilieren. Auch ganze Säulenelemente müssen ersetzt werden. Mit dem Abschluss der Arbeiten im Sommer des nächsten Jahres wird das Gartenreich Dessau-Wörlitz wieder um ein Schmuckstück reicher sein.

Julia Ott-Stolze, Abteilung Baudenkmalpflege