Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

„In Dessau wirkten die vereinten Schönheiten der Natur und Kunst. Alles machte das Gedenken an Italien reger, und an das Alterthum.“ Karl Morgenstern, 25. August 1800

Mit der Wiederentdeckung der Kunst der Antike im Verlaufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein starkes Verlangen nach bildlichen Darstellungen. Angefeuert wurde der Bedarf zusätzlich durch fundamentale archäologische Publikationen, denen ein sensationeller Erfolg beschieden war. Johann Joachim Winckelmanns (1717-1767) „Geschichte der Kunst des Alterthums“ erschien 1764 und war bald in ganz Europa bekannt. Mit Begeisterung wurden die sensationellen Ausgrabungen in Herculaneum und Pompeji verfolgt. Ungezählte Besucher*innen strömten auf ihrer Grand Tour in Richtung Süden und suchten während der Reise nach Erinnerungsstücken: Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Gemmen oder ähnlichem.

Charles-Louis Clérisseau’s Name und sein Schaffen sind heute nur wenigen Kunstinteressierten bekannt. Vor über 200 Jahren war das gänzlich anders. Er wurde in einem Zuge mit Malergrößen wie Paolo Pannini (1691-1765) oder Hubert Robert (1733-1808) genannt, verglichen und geschätzt. Gefragt waren klassizistische Kunstwerke: seien es realistisch exakte Wiedergaben von Orten, Kunstwerken oder Phantasien mit antikisierenden Themen. Clérisseau war ein Meister im Fach der Ruinenmalerei. Darüber hinaus unterhielt er Kontakte zu bedeutenden Architekten seiner Zeit. Mit Robert Adam (1728-1792) zum Beispiel reiste er nach Split, um einen römischen Kaiserpalast zu vermessen und zu zeichnen. Als Fürst Franz von Anhalt-Dessau mit seinen Begleitern Ende Dezember 1765 auf seiner Grand Tour Rom erreichte, wurden zielgerichtet zuerst Winckelmann und Clérisseau aufgesucht. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff ließ sich von Clérisseau Zeichenunterricht geben und in antiker Architektur unterweisen.

Nach der Grand Tour des Fürsten wurde 1769-1773 in Wörlitz das „Fürstlich Anhalt-Dessauische Landhaus“ nach den Entwürfen von Erdmannsdorff errichtet. Hierbei verwirklichte der Architekt die Ideen von Winckelmann und Clérisseau. Ganz deutlich wird das in seinem Schlafzimmer im Obergeschoss des Schlosses, wo eine Kupferstichserie nach Clérisseau gewissermaßen einen Ehrenplatz erhielt. Eine Steigerung der Verehrung des römischen Lehrers erfolgte mit der Villa Hamilton auf der künstlichen Vulkaninsel „Stein“. Im Kaminzimmer hängen 15 reizvolle, originale Gouachemalereien Clérisseaus.

Am 28. August 2021 gedenken wir nun dem 300. Geburtstag des Künstlers, der 1820 im hohen Alter verstarb.

Uwe Quilitzsch, Abteilung Schlösser und Sammlungen